Beim Entwickeln anwenderspezifischer Hochleistungskunststoffe geht Lanxess, Köln, künftig neue Wege: Durch den Einsatz künstlicher Intelligenz (KI) will der Chemiekonzern die Entwicklungszeit neuer Materialien deutlich verkürzen. Dafür arbeitet Lanxess mit Citrine Informatics, einem KI-Unternehmen aus Pittburgh, USA, das sich auf die softwaregestützte Entwicklung chemischer Produkte spezialisiert hat, zusammen.
Die Partner starteten ein Pilotprojekt, in dem das Potenzial von KI bei der Kunststoffherstellung ausgelotet werden soll. Ziel ist es, die Glasfasern, mit denen Lanxess viele seiner Hochleistungskunststoffe verstärkt, weiter zu optimieren und somit letztlich die Leistungsfähigkeit der Werkstoffe weiter zu erhöhen.
Dabei spielt die Glasfaserschlichte eine entscheidende Rolle. Glasfasern, die den Kunststoffen beigemischt werden, um sie mechanisch belastbarer zu machen, werden mit einer Schlichte ummantelt. Dies sorgt für eine bessere Anbindung der Glasfasern an die Kunststoffmatrix und letztlich für die gewünschten Eigenschaften der Hochleistungskunststoffe. Die Optimierung der Glasfaserschlichte ist komplex, sehr aufwändig und zeitintensiv. „Wir gehen davon aus, dass wir durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz die Entwicklungszeit für optimierte Rezepturen auf weniger als die Hälfte reduzieren können“, sagt Dr. Axel Tuchlenski, Leiter der globalen Produkt- und Anwendungsentwicklung im Geschäftsbereich High Performance Materials bei Lanxess.
KI unterstützt mit Rezepturvorschlägen
Die komplexe Zusammensetzung der Glasfaserschlichten und zahlreiche Einflussfaktoren beim Herstellen der Hochleistungskunststoffe erfordern bei einem traditionellen Vorgehen in der Produktentwicklung sehr viele Tests, deren Ergebnisse schwer zu prognostizieren sind. KI leistet hier einen entscheidenden Beitrag, um aus vorhandenen Daten das Maximale herauszuholen. Gespeist aus tausenden Messergebnissen bisheriger Rezepturen, Rohstoffinformationen und zahlreicher weiterer Daten berechnen KI-Algorithmen Prognosemodelle für noch bessere Versuchskonstellationen und -parameter, entwickeln diese Modelle mit den Messergebnissen eines jeden Versuchs weiter und schlagen letztlich eine optimale Rezeptur vor. Dieses Verfahren macht die Produktentwicklung deutlich schneller als traditionelle Methoden.
Für Jörg Hellwig, Leiter der Digitalisierungsinitiative bei Lanxess, bildet das Pilotprojekt zur Produktentwicklung bei Hochleistungskunststoffen nur den Anfang für den Einsatz von KI bei Lanxess. „Künstliche Intelligenz ist eine entscheidende Technologie, um aus der Vielzahl von Daten innerhalb des Konzerns Neues zu schaffen.“
2017 hat der Chemiekonzern seine Digitalisierungsinitiative gestartet. Dafür hat der Konzern einen eigenen Bereich gegründet. Er wird geleitet von Chief Digital Officer Jörg Hellwig, der direkt an Matthias Zachert, Vorstandsvorsitzender Lanxess, berichtet. Zentrale Handlungsfelder der Initiative sind die Entwicklung digitaler Geschäftsmodelle, die Einführung neuer Technologien entlang der Wertschöpfungskette, der Aufbau und die Nutzung von Big Data sowie die Verankerung digitaler Kompetenzen bei den Mitarbeitern.
Citrine Informatics ist führend beim Einsatz von datengestützten Methoden zur Produktentwicklung in der Werkstoffwissenschaft, der so genannten Materialinformatik. Die Citrine-Plattform beschleunigt die Entwicklung von Materialien und Chemikalien mit Hilfe von Materialdaten und KI. Citrine wurde vom Weltwirtschaftsforum als Tech Pioneer 2017 für technologische Innovationen ausgezeichnet und erhielt 2018 den Best-in-Biz Start-up of the Year Award. Citrine Informatics arbeitet mit einigen der besten Universitäten der Welt zusammen, darunter die Carnegie Mellon University in Pittsburgh, Pennsylvania, und die University of California, Berkeley.
Source: PlastVerarbeiter